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Mobile Früherkennung von Herzschwäche

Professor Dr. Bjoern Andrew Remppis entwickelt mit Partnern innovatives Konzept für Patienten im ländlichen Raum von Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.

Bad Bevensen/Berlin. Sie ist tödlicher als alle Krebsarten und heute die häufigste Entlassdiagnose aus deutschen Krankenhäusern – die Herzinsuffizienz. In vielen Fällen ermöglicht die magnetresonanztomografische (MRT-)Untersuchung des Herzens eine frühzeitige Erkennung der Herzschwäche und damit auch eine bessere Therapie. Doch während sich diese neue Versorgung in den großen Städten schnell etabliert, fehlt es im ländlichen Raum an modernen Geräten und spezialisierten Ärzteteams. Hier setzt das Projekt „Herz-Check“ an, das jetzt vom Herz- und Gefäßzentrum Bad Bevensen (HGZ), dem Deutschen Herzzentrum Berlin (DHZB), der AOK Nordost und der medneo Deutschland GmbH auf den Weg gebracht wird. Dieses Konzept zur Früherkennung von Herzschwäche mithilfe mobiler MRT-Einheiten und der Telemedizin wird mit mehr als sieben Millionen Euro aus dem Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) gefördert.

„Eine frühzeitige und vor allem präzise Diagnostik senkt nicht nur Kosten im Verlauf der Behandlung, sondern sorgt vor allem für den Erhalt der Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit von Patientinnen und Patienten“, betont Professor Dr. Bjoern Andrew Remppis, Chefarzt der Klinik für Kardiologie am HGZ und Mitentwickler des „Herz-Check“-Projekts. „Da der Diabetes und die Niereninsuffizienz besondere Treiber der Herzinsuffizienz sind und in ihrer Häufigkeit deutlich zunehmen, sind wir überzeugt, gerade für diese Menschen in Zukunft eine deutlich verbesserte Versorgung anbieten zu können.“

Für seine Spezialisierung auf den Zusammenhang von Erkrankungen des Herzens, der Lunge und der Nieren – also den kardio-pulmo-renale Ansatz – ist der Chef-Kardiologe des HGZ Bad Bevensen bereits bundesweit bekannt. Aus diesem Grunde hatten die MRT-Spezialisten des Deutschen Herzzentrums der Charité in Berlin auch Kontakt zu Professor Remppis aufgenommen und gemeinsam mit ihm das Vorhaben entwickelt. „Das HGZ wird in dem Projekt als telemedizinisches Therapiezentrum fungieren, die Berliner Diagnostik-Spezialisten von medneo werden das bildgebende Zentrum sein, und das Deutsche Herzzentrum hat die gesamte medizinische Leitung“, so Professor Remppis.

Das „Herz-Check“-Projekt sieht vor, mobile MRT-Einheiten dorthin zu bringen, wo sie in Praxen oder Kliniken nicht vorhanden sind. Das Berliner Unternehmen medneo verfügt dazu über spezielle „MRT-Mobile“, also umgebaute Lkws, die den Patienten eine MRT-Untersuchung wie in einer Klinik ermöglichen. Auch die Bestimmung der Blutwerte ist möglich. Zunächst sollen Versicherte der AOK Nordost sowie niedergelassene Haus- und Fachärzte in der Region über die Möglichkeit und die Vorteile der Früherkennung von asymptomatischer Herzinsuffizienz informiert werden.

Die Idee: Über eine Website können Hausärzte das Risiko einer unentdeckten Herzinsuffizienz für ihre Patienten anhand etablierter Bewertungsverfahren ganz unkompliziert festlegen. Die Patienten können dies auch selbst tun. Stellen Hausarzt oder Patient ein erhöhtes Risiko fest, können sie online einen Termin für eine mobile MRT-Untersuchung in der Nähe des Wohnorts vereinbaren.

Die mobilen MRT-Einheiten können an regionalen Kliniken oder ambulanten Einrichtungen wie Ärztehäusern aufgestellt werden. Vor Ort befindet sich dann medizintechnisches Personal, das die MRT-Untersuchung sicher und zuverlässig durchführen kann. Sie dauert nur etwa zehn Minuten. Ein Facharzt muss nicht anwesend sein, denn die Untersuchungsdaten werden unter Beachtung aller Datenschutz-Vorgaben online an ein „telemedizinisches Expertenzentrum“ übermittelt und dort durch ein geschultes Fachärzteteam ausgewertet.

Ergeben MRT- und Laborbefund Handlungsbedarf, werden die Patienten je nach Schweregrad des Befundes in vordefinierte Behandlungspfade eingeteilt. Gemeinsam mit den behandelnden Ärzten vor Ort werden die notwendigen weiteren ambulanten oder stationären Maßnahmen der Therapie festgelegt. Das Team des Expertenzentrums steht über die gesamte Behandlungsdauer als Ansprechpartner für die Ärzte vor Ort zur Verfügung.

Start schon nächstes Jahr

Das „Herz-Check“ Projekt wird über einen Zeitraum von drei Jahren gefördert. Davon entfallen etwa sechs Monate auf die Vorbereitung und 24 Monate auf die Durchführung der Untersuchungen in den mobilen MRT-Einheiten. Derzeit ist geplant, im Herbst 2020 die ersten Patienten untersuchen zu können.

Wissenschaftliche Erfolgskontrolle

Ein Jahr nach der Erstuntersuchung werden die Patientinnen und Patienten mit auffälligem Befund im Rahmen des „Herz-Check“-Projekts erneut untersucht, sodass ihr gesundheitlicher Zustand und der Erfolg der früh einsetzenden Therapie bewertet und abgeglichen werden können. Die gewonnen Daten werden vom Institut für Biometrie und Klinische Epidemiologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin evaluiert. Dabei werden auch durch das Projekt erzielte Kosteneinsparungen gemessen.

Medizinischer und wirtschaftlicher Nutzen

Das mit dem Herz-Check angestrebte Patientenscreening kann gefährdete Patienten sehr früh identifizieren und sie ohne Verzögerung einer effektiven weiteren Diagnostik und Prognose verbessernden Prävention/Therapie zuführen. Langfristig wird angestrebt, die Untersuchungskosten pro Patient auf unter 300 Euro zu senken. Damit können hohe Folgekosten, die bei einer erst spät diagnostizierten Herzinsuffizienz entstehen, durch frühe Erkennung der Krankheit deutlich gesenkt oder vermieden werden.

Zitate

Prof. Dr. med. Sebastian Kelle, Deutsches Herzzentrum Berlin:

„Mit den modernen Mitteln ambulanter Diagnostik und mit Hilfe der Telemedizin können wir Herzinsuffizienz-Patienten auch in ländlichen Regionen ein optimales Diagnose- und Therapieangebot machen; gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen vor Ort und auf eine kosteneffiziente und ressourcenschonende Weise. Wir sind überzeugt, mit dem ,Herz-Check‘ Projekt eine medizinische Versorgungslücke schließen zu können und freuen uns sehr, das Projekt mit Hilfe der Fördermittel des Innovationsfonds nun zügig umsetzen zu können.“

 

Frank Michalak, AOK Nordost:

„Gerade bei chronischen Erkrankungen stellt uns die ländliche Versorgung mit manchmal weiten Wegen und dem nicht immer einfachen Zugang zu spezialisierter Medizin vor besondere Herausforderungen. Auf lange Sicht können wir diesen nur mithilfe digitaler und telemedizinischer Unterstützung begegnen. Die AOK-Initiative Stadt.Land.Gesund. zeigt: Die AOK Nordost hat hier schon einige Innovationen erfolgreich auf den Weg gebracht. So bieten wir für Herzinsuffizienz-Patienten seit dreizehn Jahren das telemedizinische Versorgungsprogramm AOK-Curaplan Herz Plus an, dessen gute Ergebnisse wissenschaftlich belegt sind. In ,Herz-Check‘ sehen wir einen weiteren Baustein für eine deutlich bessere Versorgung von Herzinsuffizienz-Patienten.“

 

Dr. Matthias Issing, medneo Deutschland GmbH:

„Als Anbieter moderner mobiler MRT-Diagnostik und IT-Lösungen freuen wir uns, dass unsere Systeme wesentlicher Bestandteil eines fach- und ortsübergreifend abgestimmten Konzepts sind, das für viele Menschen einen deutlichen Gewinn an Lebensqualität und -erwartung bedeutet.“

Weiterführende Informationen

Das Projekt „Herz-Check“ ist ein gemeinsames Projekt des Deutschen Herzzentrums Berlin, der AOK Nordost- Die Gesundheitskasse, des Herz- und Gefäßzentrums Bad Bevensen, der Charité – Universitätsmedizin Berlin und der medneo Deutschland GmbH. Konsortialführer ist Prof. Dr. med. Sebastian Kelle, Facharzt für Innere Medizin und für Kardiologie. Er ist Oberarzt am Deutschen Herzzentrum Berlin (DHZB) und Universitätsprofessor für „molekulare und funktionelle koronar-vaskuläre MRT-Bildgebung“ an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Weitere ärztliche Konsortialpartner sind Prof. Dr. med. Andrew Remppis sowie PD Dr. med. Henning Steen.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist das höchste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen. Er bestimmt in Form von Richtlinien, welche medizinischen Leistungen die ca. 73 Millionen Versicherten beanspruchen können. Darüber hinaus beschließt der G-BA Maßnahmen der Qualitätssicherung für Praxen und Krankenhäuser.

Der G-BA wird von den vier großen Selbstverwaltungsorganisationen im Gesundheitssystem gebildet:

Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV),

Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV),

Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und

Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband).

 

Der Innovationsfond

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat den Auftrag, neue Versorgungsformen, die über die bisherige Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung hinausgehen, und Versorgungsforschungsprojekte, die auf einen Erkenntnisgewinn zur Verbesserung der bestehenden Versorgung ausgerichtet sind, zu fördern. Zu diesem Zweck hat die Bundesregierung einen Innovationsfonds aufgelegt. Ziel des Innovationsfonds ist eine qualitative Weiterentwicklung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland.

Der beim G-BA eingerichtete Innovationsausschuss legt in Förderbekanntmachungen die Schwerpunkte und Kriterien für die Förderung fest, führt Interessenbekundungsverfahren durch und entscheidet über die eingegangenen Anträge auf Förderung.

Die zur Verfügung stehende Fördersumme beträgt in den Jahren 2016 bis 2019 jeweils 300 Millionen Euro jährlich. Hierbei sind 225 Millionen Euro für die Förderung neuer Versorgungsformen und 75 Millionen Euro für die Versorgungsforschung vorgesehen. Die Mittel für den Fonds werden von den gesetzlichen Krankenkassen und aus dem Gesundheitsfonds getragen.

 

Von einer Herzinsuffizienz spricht man, wenn die Pumpleistung des Herzens nicht mehr ausreicht, um den Blutbedarf des Körpers zu decken. Rund 1,8 Millionen Menschen leiden in Deutschland an diesem Krankheitsbild, das zu den häufigsten Todesursachen gehört und in Deutschland Kosten von jährlich mehr als fünf Milliarden Euro verursacht. Wird eine Herzinsuffizienz früh erkannt und gezielt behandelt, können Lebenserwartung und -qualität der Patienten gesteigert, Krankenhausaufenthalte vermieden und Therapiekosten gesenkt werden. Allerdings bleibt eine Herzinsuffizienz im Frühstadium häufig unerkannt, da sie in dieser Zeit oftmals symptomfrei verläuft. Eine zuverlässige Diagnose ist dann meist nur mit Hilfe der Magnetresonanztomografie (MRT) möglich.